Max Dauthendey - wiss. Aufsatz Dr. Mayer

1 „Alle Bäume erzählen es“ Japanische Natur und europäische Perspektive in Max Dauthendeys Die Acht Gesichter am Biwasee (1911 ) Michael Mayer, Universität Bayreuth, E-Mail: michael.mayer@uni-bayreuth.de 1. Die narrative Reise In seinem Roman Raubmenschen aus dem Jahr 1911 lässt Max Dauthendey den Protagonisten Rennewart die Worte formulieren: Aber wir bedenken nicht, dass uns kein Billett, keine Eisenbahn, kein Schiff in ein anderes Land bringen kann. Wir selbst, unser Körper, unsere gewohnte Art zu empfinden, unsere Art zu denken – nichts von uns kommt jemals in einem fremden Land an. 1 Diese Aussage fungiert nicht nur als Absage an jegliche Xenologie, wie sie Dauthendeys Zeitgenosse Victor Segalen in seiner Ästhetik des Diversen (1908-1918) entwickelt, 2 sondern führt auch den Sinn des Reisens an sich ad absurdum. Wenn man sowieso nicht da ankommt, wo man hin möchte, erscheint die Reise als Akt überflüssig. In Dauthendeys Geschichtenzyklus Die acht Gesichter am Biwasee ( 1911) geht es nicht um die Thematik einer Reise. Hier werden Liebesgeschichten erzählt, die in einer reich ausgestalteten japanischen Landschaft spielen. Der im Titel erwähnte Biwasee fungiert dabei als zentraler Ort und Katalysator verschiedener Handlungsstränge. Dennoch steht die zitierte Passage in einem Verhältnis zu den Geschichten, nämlich in sofern, dass der Geschichtenzyklus die Aussage der Figur Rennewart narrativ negiert. Es ist demnach zu fragen, ob der Autor Max Dauthendey in der narrativen Konzeption der Geschichten in „seinem Denken“ doch in einem „fremden Land“ ankommt . 3 1 Max Dauthendey: Raubmenschen. München 1911, S. 106. 2 Vgl. Victor Segalen: Ästhetik des Diversen. Versuch über den Exotismus. Frankfurt a.M. 1994, S. 36, 41. Segalens zentrales Anliegen besteht darin, Gefühl und Wahrnehmung zu verbinden, um ein Fremdes in seinem Eigenwert anzuerkennen und sich darauf einzulassen. 3 Vgl. Suk-Geoung Han: Die Konstruktion kultureller Differenzen zwischen Asien und Europa bei Max Dauthendey. Mag., Bayreuth 1995, S. 3. So attestiert Han Dauthendey eine große Fähigkeit, sich in das Denken einer anderen Kultur hineinzuversetzen. Vgl. dazu auch Ulrike Stamm: Die „Schrift der Natur“ in Max Dauthendeys Novellen Die acht Gesichter am Biwasee. In: Walter Gebhard (Hg.): Ostasienrezeption zwischen Klischee und Innovation. Zur Begegnung zwischen Ost und West um 1900. München 2000, S. 59−82, S. 82. Diese These widerspricht dem Fazit von Stamms Aufsatz, denn Stamm konstatiert, dass sich das Interesse am Fremden in den Novellen allein in der „Ästhetik der Reduktion“ ausdrückt.

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