Max Dauthendey - Mainberg - Korfiz Holm

Korfiz Holm – Mainberg - Dauthendey Wer hätte nicht von Schloß Elmau gehört, dem gastlichen Haus am Fuß des Wettersteins, das Dr. Johannes Müller denen offen hält, die sich bei ihm in seelischen oder praktischen Lebenszweifeln Rats erholen wollen, und allen, die es freut, den Dunst verstaubter Konvention für ein paar Wochen unter sich im Tal zu lasten und einmal den Nächsten unbefangen zu genießen, ohne sich darum zu scheren, was er im Leben draußen vorstellen und bedeuten mag! Den vielen, die sich dort Erfrischung holten, mag es nicht unwillkommen sein, von einem, der dabei war, zu erfahren, wie es vor einem Vierteljahrhundert ungefähr auf dem Schloß Mainberg ausgesehen hat, der Keimzelle von Schloß Elmau. Hier war es ja, wo Dr. Müller damit begann, seine Gedanken über eine neue, persönlichere Lebensformung, für die er früher schon durch Vorträge und seine Vierteljahrsschrift "Grüne Blätter" eingetreten war, am lebenden Subjekte zu erproben. Nun ist es nicht verwunderlich, wenn sich gerade in den Anfängen eines solchen Unternehmens der Hang zeigt, das erstrebte "Neue" auch nach außen sichtbar darzutun. Während man jetzt auf Schloß Elmau nicht anders angezogen geht als überall, war bei den richtig zielbewußten "mainbergern" jener Zeit eine Art Wandervogeltracht im Schwang. Wer etwas auf sich hielt, ging in Sandalen ohne Strümpfe, die Männerwelt war auf den Schillerkragen eingeschworen, die Damen, und zumal die jungen Helferinnen, zogen zeitlose "Gewänder" richtigen Kleidern nach der Mode vor. Im nahen Schweinfurt schüttelte die Bürgerschaft den Kopf ob dieser höchst auffälligen Gestalten ("mit nix an die Füß und ä Kränzel im Hoor") und sah Schloß Mainberg allen Ernstes als so etwas wie ein Irrenhaus für nicht direkt gemeingefährliche Patienten an. Dies war gewiß eine Verkennung der Wirklichkeit, doch läßt sich's nicht bestreiten, daß es unter den Gästen dort auch sonderbare Käuze gab, und mehr davon, als man gemeinhin sonst in Sommerfrischen kennen lernt. Dafür bekam ich schon sehr bald nach meiner Ankunft auf Schloß Mainberg einen bündigen Beweis. Ich hatte mich im Sommer 1896 von einer mir verwandten Johannes-Müller- Enthusiastin überreden lassen, für ein paar Ferienwochen hinzugehen, obgleich ich vor den "neuen Menschen", die dort hausen sollten, eine leise Scheu empfand. Ich traf gerade recht zum Abendessen ein, verhielt mich während dieser ersten Mahlzeit, bei der ich zwischen zwei gleichfalls nicht redseligen Damen saß, recht still und ließ nur meine Augen prüfend über die Tafelrunde gleiten, ohne daß sich die mitgebrachte Scheu merkbar vermindert hätte. Nach Tisch standen die Gäste gruppenweise lebhaft plaudernd auf dem Schloßhof herum. Ich armer Neuling setzte mich mit dem Gefühl vollkommener Verlassenheit in einen Gartenstuhl zu Füßen eines riesigen Platanenbaums, zündete mir zum Troste eine Zigarette an und musterte den Hauptbau des vor Zeiten fürstbischöflichen Schlosses, dessen drei Giebel in der Abendsonne glühten. Das war Architektur nach meinem Sinn, doch trotzdem fühlte ich mich fehl am Ort.

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