Max Dauthendey - wiss. Aufsatz Dr. Mayer
11 Geschichte unterstrichen wird. Der Natur kann nichts entnommen werden, ohne ihr ihren ganzen Wert zuzugestehen. Dieser Aspekt impliziert, dass das mimetische Produktionsverfahren nicht funktionieren kann. Doch eine andere Dimension knüpft daran an. Graswürzelein hat dieses Zeichen nicht zuerst in der Natur gesehen, sondern auf einer Vase ihres Vaters: „Mein Vater machte einmal eine Vase. Ich hatte aber den Ofen schlecht geheizt, so daß die Glasuren nicht gleichmäßig trockneten und sich seltsamerweise dieses Schriftzeichen bildete, indem der weiße Grund der Vase in Zickzacklinien durch die blaugrüne Glasur schimmerte. Flüchtig hingesehen, erschienen die weißen Linien wie ein Flug Wildgänse, die in einer Landschaft über Baum und Hügel hinflogen. […] Oizo schlug sich mit der Hand vor die Stirn und lachte: „Also dieser Baum und dieser Hügel sind gar nicht in Katata?[… ] 47 Das Zeichen wurde also nicht durch die Natur generiert, sondern ist durch ein Missgeschick bei der handwerklichen Arbeit entstanden. Die Kategorie Zufall könnte heran gezogen werden, doch Graswürzelein sagt: „Nichts ist Zufall, sagen die Götter hier bei uns in Katata. “ 48 Wenn der Zufall verneint wird, so verweist die Figur auf eine andere Macht. Die Götter sind aber nicht transzendent, sondern wirken in der Natur, was diese doch wieder zum Ursprung des Zeichens und der Aussage erklärt. Das daraus zu entnehmende Schema, erscheint interessant: Das Zeichen zeigt sich zwar zuerst auf einer Vase, jedoch erweist sich die Natur als Triebkraft sowie als Ursprung dieses Zeichens. Sie nutzt damit kulturelle Artefakte als Medium für ihre Aussagen . 49 Die darin enthaltene Naturkonzeption ist der europäischen Naturauffassung diametral entgegengesetzt, denn hier eignet sich die Natur zu ihrem Nutzen kulturelle Gegenstände an. Erneut tritt die Natur als aktives sowie dominantes Subjekt in Erscheinung. In Bezug auf die Aussage des Zeichens gerät der Künstler Oizo in ein Dilemma, da das Zeichen Konsens ist und nicht von seiner Bedeutung getrennt werden kann. Er würde der Prinzessin seine Liebe gestehen, sobald er den Saal malt. Allerdings rettet ihn die 47 Ebd., S. 79 f. 48 Ebd., S. 80. 49 Die Assoziation „Romantik“ liegt nahe, weil es in den Texten dieser Epoche permanent darum geht, die Sprache der Natur zu verstehen. Vgl. Detlef Kremer: Romantik. 2. überar. Auflage Stuttgart-Weimar 2003, S. 64ff. Durch diesen Bezug wird erneut deutlich, wie sehr sich Dauthendey durch Wahl Japans von seinem zeitgenössischen Europa entfernt.
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