Max Dauthendey - wiss. Aufsatz Dr. Mayer
12 Doppeldeutigkeit des Zeichens doch, indem es, gespiegelt im Biwasee, gerade die gegensätzliche Bedeutung aussagt: Die Fluglinie der Wildgänse im Wasser und am Himmel vom See aus gesehen, bedeutete in Sprachzüge übersetzt: „Ich liebe nicht, dass du dich nach mir umwendest. Ich wende mich auch nicht nach dir um.“ Welch sonderbarer Zufall, daß der Wildgänseflug sich doppelt deuten ließ. 50 Hat die Natur das Zeichen bereits auf der Vase entstehen lasse, so wird die Negation nur durch den Biwasee, also durch die Natur und in ihr selbst ergänzt. Kunst, Schrift und Natur bedingen sich, indem sich die Natur in allen Bereichen ausdrückt. Wenn Schrift und Natur verschmolzen sind, so wendet sich der Text damit vehement gegen die europäische Sprachskepsis und erneut gegen die Natur-Kultur-Opposition. Die Natur erscheint selbst als Sprache und die Menschen kommunizieren auf dieser Ebene in ihr und mit ihr. Dauthendey entwickelt in dieser Geschichte eine eigene Sprachauffassung, durch die er die europäische Differenz von Sprache und Dingen zu überbrücken sucht. 5. Zusammenfassung: Der Geschichtenzyklus Die Acht Gesichter am Biwasee thematisiert die japanische Natur nicht nur, sondern benutzt sie zugleich als Schema des Erzählens. Die Landschaft am Biwasee sieht der Erzähler durch „europäische Heuschrecken“ gefährdet. Diesen wird ein metaphorisches Liebeskonzept entgegen gestellt, das die Einheit von Natur und Kultur amalgamiert. Die Natur wird anthropomorphisiert und steht mit den Menschen auf einer Ebene. Das europäische Vorhaben der Ausbeutung wird dadurch geblockt. Die Handlungsverläufe der einzelnen Geschichten werden durch Elemente der Natur, wie dem Papagei, dem Biwassee oder der Brise von Amazu katalysiert. Die Natur tritt permanent als handelndes Subjekt auf, das im Verlauf der Geschichten an Autonomie gewinnt. Der Erzähler verwendet die Formulierungen „japanisches Mädchen“ und „sagen die Japaner“, womit er sich als Nicht-Japaner darstellt, der Geschichte von Japanern gehört hat. Somit nimmt er eine fremdkulturelle Geschichte und nutzt diese für sein eigenes Erzählen. Es findet in allen Geschichten eine Instrumentalisierung der japanischen 50 Ebd., S. 89.
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