Max Dauthendey - wiss. Aufsatz Dr. Mayer
3 Die These findet Ausdruck in dem Zitat „Alle Bäume erzählen es“ aus der Geschichte Die Abendglocke vom Miideratempel hören . Damit soll gesagt sein, dass sich die Erzählstrategie selbst in der Naturdarstellung verrät oder – metaphorisch gesprochen - von den „Bäumen“ verraten wird. 2. Europäische Heuschrecken in japanischer Landschaft Im Folgenden rücken einige Passagen aus verschiedenen Geschichten in den Fokus, um die spezifische Naturauffassung der Texte herauszufiltern. Bevor in der ersten Geschichte eine Naturbeschreibung des Erzählers einsetzt, greift dieser auf eine andere Naturmetaphorik zurück. Die in Japan einfallenden Europäer werden von ihm als „Heuschrecken“ bezeichnet. Damit aktiviert sich nicht nur eine Tiermetaphorik, sondern es wird auch eine paradigmatische Differenz zwischen Japanern und Europäern etabliert. Im Paradigma „Natur“ stellen Heuschrecken eine Bedrohung für jegliche Vegetation dar. Heuschrecken nutzen die Pflanzen nicht, sondern verspeisen sie und schädigen sie somit. Diese Metaphorik bezeichnet den – historisch bedingten – Umgang der Europäer mit der Natur. Bereits im europäischen Barock und in der Aufklärung wird Natur als Objekt gedacht, das zu kultivieren oder – in diesem Kontext – zu kolonisieren ist . 8 Daraus gibt sich auch die europäische Opposition von Natur und Kultur. 9 Zur Kultivierung der Natur entwickeln die Europäer verschiedene Technologien. Im Text heißt es: Auf dem Biwasee würde man dann bald Schiffe sehen, die Rauch ausstießen und die Seetiefe mit Schrauben aufwühlten. Auf Eisen würden bald Eisenwagen rasselnd wie Gewitterwolken, täglich durch Japan eilen. Diese Wagen würden die Fremden in Massen nach Kioto und an die Ufer des Biwasees bringen. Die leichten Vogelkäfige der Bambushäuser würden verschwinden, und Steinhäuser, wie man sie im Westen der Erde baut, würden zum Himmel wachsen, und überall würden dann Rauch und Eisenlärm sein. 10 Auch die japanische Natur bildet nur ein, zu kultivierendes, Objekt für die Europäer, Prosakonstruktion der Geschichten her, ist dem Vergleich mit der Lyrik nur bedingt zustimmen. Der Bezug zu japanischen Märchen/Sagen erscheint von der erzeugten Atmosphäre her, doch nahe liegend. 8 Besonders deutlich wird dies in der Anlage von „Gärten“ als Bereiche kultivierter Natur per se. Vgl. Maria Auböck: Zirkelfelder – Zur Gartenkunst um 1750. In: Siegried Mattl/ Albrecht Schröder (Hg.): barocke natur. Naturverständnis zwischen Spätbarock und Aufklärung. Wien 1989, S. 26-32, 26. Auböck formuliert: „Der Garten ist somit lesbar als eine Form der menschlichen Dominanz über die vier Elemente der Natur: Erde, Wasser, Feuer und Luft.“ 9 Wird der Fokus auf den autobiographischen Hintergrund Max Dauthendeys gerichtet, so kann formuliert werden, dass die asiatische Naturauffassung Dauthendey zusagte, weil Kultur und Natur in einem harmonischen Verhältnis stehen, das heißt diese Opposition gar nicht vorhanden ist. Vgl. Han: Konstruktion der Differenz, S. 67f. 10 Dauthendey: Die Acht Gesichter am Biwasee. München 1952, S. 3.
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