Max Dauthendey - DrMayer - Raubmenschen - Rennewart
198 erscheint auch nahe liegend, denn die „Mexikaner“ tragen die Pistolen auch nach „Cowboyart“ oder sie wirken wie aus der Buffalo-Bill-Show entsprun- gen. Aber die in Mexiko lebenden Europäer und Amerikaner kümmern sich nicht mehr um das Aussehen, denn es muss nur zweckmäßig zumÜberleben sein. Feuerwaffen werden wiederum zum Zeichen der Europäer gemacht. Alles, was in Europa hätte verborgen werden müssen, wird in Mexiko nach außen gekehrt. Rennewart formuliert das explizit: Die ersten Schritte in das aufgeregte tropische Nachtleben sind für den Euro- päer so befremdend, als ob ihm plötzlich alle Hirngespinste einer sonst nur in der Phantasie existierenden Unterwelt entgegenkämen. Alle Verbote, alle Fesseln, die das Tageslicht und die Tagessymmetrie erfunden haben, müssen einer Verzückung weichen, die sich in den Tropen sofort mit der Dunkelheit einstellt […]. 561 Es ist nichts sanktioniert oder normiert, sodass Mexiko zum „Kampfplatz“ sämtlicher Interessen und Leidenschaften gemacht wird. Diese eurozentris- tische, speziell sozialdarwinistische Instrumentalisierung einer anderen Kul- tur ist ein exotistisches Schema. Die fremde Kultur wird literarisch durch die europäische Perspektive erzeugt. Die Radikalisierung aller europäischen Interessen in Mexiko avanciert zur Begründung für Rennewarts Ablehnung jeglicher Xenologie, die er infolgender Passage formuliert: 562 Wir glauben immer, wir Neuzeitmenschen: wir nehmen ein Billet, kommen in ein Land, essen, schlafen, trinken dort und kommen wieder zurück. Aber wir bedenken nicht, dass uns kein Billett, keine Eisenbahn, kein Schiff in ein anderes Land bringen kann. Wir selbst, unser Körper, unsere gewohnte Art zu empfinden, unsere Art zu denken – nichts von uns kommt jemals in einem fremden Land an. 563 561 Ebd., S. 105. 562 Bei Zenk findet sich diese Passage ebenfalls zitiert und fungiert als zentra- ler Gegenstand seiner Interpretation. Vgl. Zenk: Forschungsreisen, S. 354. Vgl. dazu auch Michael Mayer: „‚Alle Bäume erzählen es‘ – Japanische Natur und europäische Perspektive in Max Dauthendeys Die Acht Gesichter am Biwasee (1911)“. In: TRANS: Internet-Zeitschrift für Kulturwissenschaften Nr.17/2010: http://www.inst.at/trans/17Nr/1-12/1-12_mayer17.htm (letzer Zugriff am 3. März 2010) 563 RM, S. 106. Die Aporien der europäischen Wahrnehmung
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