Max Dauthendey - DrMayer - Raubmenschen - Rennewart
201 lesen ist, die Platz für das Christentum machen sollen. Anders als bei Gau- guin, der nach der „vergrabenen“ Vergangenheit Tahitis sucht, interessiert die indigene Vergangenheit in den Raubmenschen nicht. Um die Glaubens- symbole vollends ihrer Wirkung zu berauben, werden sie in das Museum gestellt, wo sie nur noch als Zeichen für diese Religionen stehen, ihnen aber keine Realität oder Wirkung mehr inhärent ist. Als museale Objekte zeigt sich ihre Macht depotenziert und sie sind als Signifikanten von ihren Signi- fikaten abgelöst. Ihre Wirkung beschränkt sich auf die Unmenschlichkeit, Unproportionalität, das Animalische, also insgesamt auf ein erschreckendes Aussehen für den Europäer. Diese Darstellung verhält sich entgegengesetzt zu Einsteins späterer Theorie der Negerplastik , wo er alle diese Vorwürfe am Beispiel afrikanischer Kunst zu entkräften sucht. Einsteins Negerplas- tik scheint sich daher in ein direktes Verhältnis zu den Thematisierungen in den Raubmenschen zu stellen, denn was Einstein formuliert, ist speziell das Autonome der Negerplastik , die selbst die Realität des Gottes verkörpert und nicht wie in der christlichen Glaubenslehre nur Symbolcharakter besitzt. Einstein kritisiert den europäischen Museumskult in der Negerplastik , aber deutlicher noch in seiner noch späteren Schrift Das Berliner Völkerkunde- Museum , wo es heißt: Ein Kunstgegenstand oder Gerät, die in ein Museum gelangen, werden ihren Lebensbedingungen enthoben, ihres biologischen Milieus beraubt und somit dem ihnen gemäßen Wirken. Der Eintritt ins Museum bestätigt den natürli- chen Tod des Kunstwerks, es vollzieht den Eintritt in eine schattenhafte, sehr begrenzte, sagen wir ästhetische Unsterblichkeit. 571 Der Kommentar wirkt, als hätte Einstein ihn zu Dauthendeys Roman geschrieben, zumindest führt der Roman literarisch vor, was Einstein the- oretisch formuliert. Kunstwerke werden im Museum auf leblose Objekte reduziert. Die musealen Artefakte in den Raubmenschen weisen diese Rea- litäten nicht mehr auf, und Rennewart ordnet den einzelnen Statuen zwar ihre Bedeutungen zu, benutzt dabei allerdings ein europäisches Dechiffrier- system, indem er Signifikant und Signifikat getrennt denkt: Viele Götzen haben ihr Maul bis zum Nabel aufgerissen und sind aus lauter Vogelfederornamenten zusammengesetzt; manche stehen auf dem Kopf, mit 571 Einstein: Das Berliner Völkerkunde-Museum. Anläßlich der Neuordnung. In: Ders: Werke, BA, Bd. 2, S. 446-450 u. S. 446. Die Aporien der europäischen Wahrnehmung
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