Max Dauthendey - DrMayer - Raubmenschen - Rennewart
183 dann glücklich sein in der selbstgewählten Einsamkeit, so glücklich, wie es einst die ersten Menschen waren.“ 507 Für das Auswandern erscheint dieses Denken kontraproduktiv. Das Zitat macht deutlich, dass es weniger um kulturelle und geographische Auswan- derung geht, sondern eher um Rückzug von der Gesellschaft und der Suche nach einem „paradiesischen Zustand“, also um ein „Einsiedlertum“. 508 Nach Reif ist das als sozialer Exotismus zu bezeichnen, der eskapistisch ausgelegt ist. 509 An dieser Stelle ist Eskapismus durchaus zutreffend, aber nicht als Kategorie für den gesamten Text zu generalisieren. Mit Segalen wäre hier zudem ein zeitlicher Exotismus zu attestieren, da das, was gesucht wird – ähnlich wie in Gauguins Tagebuch Noa Noa – in der Vergangenheit liegt. 510 Rennewart gibt an anderer Stelle den Bezug zur Vergangenheit explizit an, die „Hochkultur“ wird aus der Gegenwart verlagert: „Mexiko, vor dem mir schon so gegraut hatte, wurde mir wieder lieb, und ich sah es mit den Augen der beiden träumenden Menschen an, und sah die alten edlen Kul- turen der Tolteken und der Azteken vor mir aufsteigen. Mir war, als ver- wandle die Gegenwart dieser ernst strebsamen eine Räuberhöhle in einen Tempel.“ 511 Rennewart übernimmt also auch die verklärte Wahrnehmung des Ehepaares und legt die historischen Epochen über die Gegenwart. Für dieses Muster kann das „Schneckenhaus“ ebenfalls als Metapher dienen, da 507 RM, S. 93. 508 Das „Einsiedlertum“ hat in der deutschen Literatur eine lange Tradition und erfuhr in der Romantik als besonderer Lebenszustand zahlreiche literarische Ausprägungen. Das zentrale Beispiel ist der Einsiedler „Serapion“, der auch Namensgeber für E.T.A. Hoffmanns Novellensammlung Die Serapions-Brüder von 1819 ist. Vgl. E.T.A. Hoffmann: Die Serapionsbrüder. In: Ders.: Poetische Werke in sechs Bänden, Berlin 1963, Bde 3 u. 4. Damit rückt der Exotismus – nach Brie – in die Nähe seines romantischen Ursprungs. Die Interpreten Brie und Reif haben diesen Zusammenhang besonders hervorgehoben. Ein weiterer interessanter Aspekt in diesem Kontext besteht darin, dass Wieland in seinem bereits erwähnten Text Koxkox und Kikequetzl ebenfalls das Adam- und-Eva-Schema ausarbeitet, da dieses Paar in Mexiko einen neuen Ursprung der Menschheit schaffen soll. Wieland ist stark durch die Rousseausche Natur- auffassung geprägt. Vgl. Anglet: Die Eroberung Mexikos, S. 39-47. 509 Reif: Zivilisationsflucht, S. 10. 510 Vgl. Abschnitt 3.1.2, S. 87f., dieser Studie. 511 RM, S. 89. Die Aporien der europäischen Wahrnehmung
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