Max Dauthendey - Korfiz Holm Artikel
Ich habe ihm in jenem Sommer oft beim Zeichnen zugeschaut, und das ist mir auch für sein dichterisches Schaffen aufschlußreich geworden. Er zeichnete nach der Natur, hielt sich jedoch in Einzelheiten der Linie und der Farbe durchaus nicht streng an sie, sondern gestaltete gleichsam sein inneres Ideal, ich möchte beinah sagen, sein vorgefühltes Erinnerungsbild von diesem Stückchen Welt. Solange er bei der Arbeit war und ich nicht wußte, auf welches Ziel das alles hinstrebte oder, treffender ausgedrückt, von selber zulief, habe ich mich manchmal beinah ärgerlich gefragt, warum er denn die Dinge nicht schlicht und recht so wiedergab, wie sie sich meinem und also offenbar auch jedem andern offnen Auge darstellten; hatte er aber den letzten Strich an einem solchen Blatt getan, dann sah ich wohl, daß ihm trotz willkürlichem Umspringen mit der Wirklichkeit fast immer ein im höheren Sinne treues und meisterliches Abbild dessen, was da vor mir lag, gelungen war, woran man sich nichts anders wünschen mochte. Und so entschleierte sich mir im Miterleben seines Schaffens etwas von dem Geheimnis der Genialität. Auch das verkürzte mir die Tage, und als die Mitte meines Urlaubs überschritten war, kamen sie vollends immer mehr in Fahrt; ich hätte sie gern halten mögen und fühlte die Abschiedswehmut schon voraus. Max Dauthendey hingegen begann die Aussicht, hier noch lange Zeit zu haben, unruhig zu machen. Nicht, daß er von verfrühtem Abbruch seines Aufenthalts gesprochen hätte, aber es wollte ihm hier oben nichts mehr recht behagen, besonders – die Verköstigung nicht. «Ewig Fisch!» beklagte er sich eines Mittags. «Das Gehirn wird ja auf eine Art mit Phosphor überfüttert ...! Man fühlt sich gar nicht mehr! Da muß ja schließlich der Verstand hypertrophieren!» «Na, wenn du keine größere Sorge hast ...!» lächelte ich. «Korfiz ...!» Er musterte mich vorwurfsvoll, als hätte ich ihn mit meinem leicht hingeworfnen Wort zum Dummkopf stempeln wollen, was keineswegs in meiner Absicht lag, fuhr aber schnell ablenkend fort: «Dies Essen lähmt die Phantasie. Oh, wenn ich an
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