Max Dauthendey - Mainberg - Korfiz Holm

mancher später noch in Freundschaft näher trat. Und all die vielen Male, die ich zwischen 1906 und dem Kriegsausbruch nach Mainberg kam, habe ich regelmäßig Menschen von besonderem Gehalt und ungewöhnlich angenehmer Art dort kennen lernen dürfen. Dasselbe war auch stets von der Elmau zu sagen, nur daß hier trotz aller Mannigfaltigkeit der Stände und Berufe das gesellschaftliche Niveau gleichmäßiger ist und man Gestalten wie etwa jenem wißbegierigen Vollbartträger und der wiedergebornen Dame kaum begegnen wird. In Mainberg war die Mischung sehr viel pittoresker. Die soziale Spitze bildete wohl der mit Doktor Müller eng befreundete Prinz Max von Baden, nach unten zog kein Vorurteil engherzig einen Strich. Und Standesdünkel ist mir dort bei niemand aufgefallen, außer einmal bei einer nürnberger Fabrikarbeiterfrau, die gar zu dick mit ihrer mangelhaften Bildung tat. Eins der erfreulichsten menschlichen Erlebnisse waren mir auf Schloß Mainberg wie auch in der Elmau immer die Helferinnen. Unter den Hunderten, die ich in all den Jahren kennen lernte, waren merkwürdig wenige, von denen das nicht gilt. So manchem Gast erscheinen sie in ihrer notgedrungenen Zurückhaltung vielleicht ein wenig hochmütig, aber ich glaube, das ist selten ihre Schuld. Denn viele Gäste finden nicht den Ton, wie man mit Damen umgeht, die den Dienst von Zimmermädchen oder Kellnerinnen tun. Wer den gehörigen Takt dafür besitzt, der wird an diesen meist sehr lebhaft geistig interessierten und dabei frischen jungen Dingern seine helle Freude haben. So ging es auch besonders vielen Junggesellen, die nach Mainberg kamen; und erstaunlich viele dieser Helferinnen zogen als verlobte Bräute wieder heim. Unter den Fragen, die dort damals zur Debatte standen, war das seitdem durch Wandlungen der Sitte glücklich gelöste Problem der Freundschaft zwischen Mann und Weib für viele ganz besonders interessant. Denn es gehörte zu der angestrebten neuen Lebensformung, daß sich die Geschlechter unbefangen nähertreten müßten, ohne gleich an Flirt und Liebelei zu denken. Doch angesichts der Resultate solcher Näherungsversuche, die ich vor Augen sah, kann ich nur sagen, daß von diesen Freundschaften gewiß ein paar auch glücklich endeten, die meisten aber doch zur Ehe führten. Der wunderlich gemischte Gästeschwarm in Mainberg gab den Helferinnen oft willkommnen Anlaß zur Belustigung: das wird wohl niemand wundern, der da weiß, wie kritisch solche jungen Mädel sehen und wie lachlustig sie sind. Gar mancher von den würdigen "neuen Menschen" bekam von ihnen, ohne daß er es erfuhr, seinen mit treffsicherem Witz geprägten Spitznamen. Um nur ein Beispiel zu erwähnen: ein frischgebackener Stuttgarter Oberlehrer, der immerfort dozierend weise Reden schwang und nebenbei sehr heftig auf die Preußen schimpfte, hieß bei den Helferinnen "Der süddeutsche Aufsatz". Im Sommer 1906 kam bald nach mir mein Freund Max Dauthendey mit seiner Frau für ein paar Wochen auf das Schloß. Und ihm als Liebesdichter ging das ewige Gerede von der Freundschaft zwischen den Geschlechtern heftig wider den Strich. Als Gegengift verehrte er verschiedenen Helferinnen sein gerade

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