Max Dauthendey - Die Untergangsstunde der Titanic

Sie klopfen an die tausend Türen in jenes Schiffes Riesenlänge. Und an die tausend Herzen auch in jenem Riesenkahn Tönt knapp das Wort "Gefahr", dies Wort belächelt von der Menge. Ein wenig Neugier weckt es erst nur hier und dort. Man witzelt und begleitet sich zu hellen Stufen, Besteigt den Fahrstuhl und die Treppen, noch in dem Mund das Wort, Das ganz unglaubliche, das aufgetaucht da ungerufen Man hört es abermals und hört es fort und fort: Gefahr! – Man will den Witz leibhaftig miterleben, Denn nur ein Witzbold denkt hier an Gefahr, Wo Tausende auf stolzer Höhe des Triumphes schweben. Denn nirgendwo man sicherer als hier im Schiffe war,– Die Ingenieure hatten gestern erst dies Urteil abgegeben. Es staut sich noch kein sonderlich Gedräng', Man bildet Gruppen zwanglos unter plaudern. Auch dann wird nicht die Luft den Tausend eng, Als die Maschinen in dem Schiffsraum zaudern. Dort ordnet eine Dame noch ihr Ohrgehäng', Und andere vor Spiegeln leicht ihr Haar betasten, Das sich ein wenig lockerte beim Tanz, Beim Druck der Diademe und der Perlenlasten. Und ah Gefahr glaubt keine unterm Lichterkranz, Wenn auch dem Schiff die Atemzüge rasten. Doch kaum ein Stündlein später sind entstellt Im gleichen Saal die gleichen Angesichter. Noch immer glänzt dieselbe Spiegelwelt. Die Menschenmenge aber keilt sich ängstlich dichter Zum Bug, der wie ein Pferd sich hochgestellt. .. Die letzten Rettungsboote rudern weiter, Ein jedes nur ein Menschenhäuflein faßt. Im Wasser aber schreien Hunderte, die gleich wie Reiter Die Wellen anzuspornen scheinen und in Hast Wie Korke fliegend schwimmen, denn ein neues Wort wächst breiter: "Der Tod."–Der dunkle Menschenhaufen auf dem Bug, Aus dem Pistolenschüsse fallen, tobt unbändig. Der Tod steht überall jetzt auf, Gefahren gibt's genug. Die Elemente und die Menschen, sie werden laut geständig, Daß Leben stets dem Leben, ach, die Todeswunden schlug. Sie alle raubten immer, um zu leben. Dem Tod sind wenig Freunde nur bekannt. Nur wenig sah ich, die sich friedlich ihm ergeben. Ein altes Paar vor mir hat sich ihm lächelnd zugewandt, Ich seh' der beiden Seelen vereint dem Tod entgegenschweben, Man wollt' die Gatten trennen. Doch die Frau Mocht' nicht allein das Rettungsboot besteigen. Ein lieblos Leben scheint der Lebensreifen rauh. So teilt sie mutig mit dem Mann das Todesschweigen, Und beide Alten, eng umarmt, sie halten lautlos Totenschau.

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