Max Dauthendey - Auf dem Weg zu den Eulenkäfigen
asiatischen Nippes belebt, sind wie eine irisierende Haut über einem Pfuhl von pechschwarzem Wasser. Aber die einzige tiefe Empfindung, die man in diesen hellen und gefälligen Räumen erlebt, kommt nicht von den Büchern in den Schränken und nicht von den Kunstwerken aus, sie geht aus von den unglücksglänzenden schwarzen Augen Claudias; diese Augen, denen das Weinen schon längst kein Trost und keine Erlösung mehr ist, glänzen vor Schmerzen. Bald nach dem Weihnachtsfest sah ich Claudia bei einem Besuch wieder. Sie stand an ihrem Teetisch und trug über dem schwarzen Seidenrock eine goldgelbe Seidenjacke, die war von einem etwas dunkleren Goldgelb als die Schleier ihrer Lampen. Sie schien Ruhe und Wärme auszuströmen, und ich fragte mich erstaunt: was geht in ihr vor? Ihre Augen waren entkräftet und schienen außerhalb des Zimmers traumwandelnd herumzugehen. Ich erfuhr dann, daß sie krank sei, sie hustete, sie hatte Fieber. Es war eine rein äußerliche Krankheit, und Claudia trug diese Krankheit wie ein Weihnachtsgeschenk des Himmels mit sich. Sie, die einstmals so stark war, daß sie nicht für den Tod geboren schien, freute sich, daß ihr Fieber täglich stieg, freute sich, daß ihre Augen erlöschen wollten. Und wenn man sagte, daß sie sich pflegen müßte, lächelte sie nur. Sie erwartete das Sterben und freute sich. Der Tod kam nicht. Die Schwäche ging vorüber. »Weshalb?« fragte sie erschrocken. Sie lebt jetzt immer noch im selben Hause mit dem, mit dem sie einst gerungen und gekämpft hat. Sie lebt kampflos jetzt. Beide sehen sich täglich, aber sie sprechen sich wenig. Claudia weiß nie, wohin Dagon geht, wenn er abends seinen Frack anzieht. Sie will es auch gar nicht wissen. Und er fragt nicht, wenn Claudia ins Theater fährt, wohin sie geht. Und das ist vielleicht noch schmerzlicher für sie zu ertragen, daß er sie gehen läßt, wohin sie will. Das Kind, ihre Tochter, ist bald erwachsen und sieht und versteht und hört alles. Und das ist das Allerschmerzlichste für Claudia. Der selbstherrliche Mann schont die beiden Frauen nicht, nicht die Tochter und nicht die Mutter. Er lächelt über sie hinweg, plaudert zu den beiden von seinen Erfolgen bei den Frauen, will, daß sie mit ihm über die Scherze, die er mit dem Liebesleben und seinem eigenen Herzen treibt, lachen sollen. Und Dagon lächelt sein allesverschlingendes Lächeln, wenn die beiden Frauen ihm ausweichen. Wenn die beiden Frauen anklagen, lächelt er und verschlingt ihre Anklagen. Wenn die beiden Frauen ihn morden wollen, lächelt er und verschlingt ihre Mordgedanken.
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