Max Dauthendey - Auf dem Weg zu den Eulenkäfigen

zuerst den Plan gehegt hatte. Sicher blieb nur, daß es ihr Unglück war, daß er ausgeführt wurde. Sie, die schon damals fühlte, daß sie in dem Mann so wenig Sicherheit hatte, als wenn sie sich an seinen Schatten anklammern würde, hatte begeistert den Weg ins freiheitliche Amerika angetreten, schwärmend für alles Großzügige, Unbegrenzte, nie Dagewesene. Dort in dem jugendlichen Land Amerika, wo die Frau den Mann regiert, hoffte Claudia vielleicht, Dagon allein für sich zu bekommen und seine Augen, die alle Frauen wie Irrlichter umgleiten konnten, zum festen Blick zu zwingen, der sich dann von ihrem Herzen nicht mehr abwenden sollte. Denn Claudia wollte Dagons eidechsenhaften Seelenbewegungen die schwerthafte Stärke ihrer Augen geben. Aber was half es ihr. Alle ihre Kraft verpuffte nur wie nasses Pulver, da Dagons Schicksal feindlich gegen ihr Schicksal gerichtet war. Kaum waren beide in Amerika gelandet, so erhielten sie die Nachricht, daß Dagon seinen Vater verloren habe und wegen wichtiger Erbschaftsangelegenheiten nach Deutschland zurückkehren müsse. Claudia konnte nicht umkehren; sie hatte eben ihr erstes Kind geboren und lag zu Bett. Und Dagon entglitt ihr, wie sie es immer erwartet hatte. Der Ozean trennte sie bald. Sie, die keine Stunde ohne ihn sein wollte, war gezwungen, ihm von einem Weltteil zum andern nachzuklagen. Und als Dagon später Claudia nachkommen ließ und sie in Europa erwartete, hatten sie nicht den Ozean hinter sich gelassen, als sie sich wieder die Hände reichten. Zwischen ihrer beider Augen blieb der erste Ozean der Trennung, und viele Ozeane folgten, die sich einer an den andern reihten. Denn Dagon hatte Claudia von da ab mit der und jener Frau betrogen, mit der und jener Freundin. Wenn sie auch immer Geständnisse aus ihm herauslockte, das Urversprechen einer Treue, einer männlichen Festigkeit, auf der ihre schwarzen Augen ruhen wollten, konnte sie Dagon nie abringen. Claudia warf sich dann auf die Arbeit. Sie hatte studiert, hatte ihr Examen gemacht. Sie wurde Ärztin und arbeitete an Dagons Seite unentwegt und damals noch ungelähmt. Sie tat ihre Arbeit gern, um ihren Mann zu ihrem Schuldner zu machen. Denn Dagon hatte kein Vermögen geerbt, wie sie beide es erwartet hatten. Dagons Geschwister hatten es vermocht, den sterbenden Vater zu veranlassen, seinen leichtlebigen Sohn zu enterben, ihn nur auf Pflichtteil zu setzen, und dieses Geld sollte Claudias Kindern und nicht Dagon ausgezahlt werden. Sie verdiente nun neben ihrem Mann, denn sie hatten beide hohe Lebensansprüche. Die Luft um Dagon wurde immer trüber. Er blieb halbe Tage fort, ohne daß Claudia wußte, wo er war. Sie erfuhr immer wieder von neuen kleinen Leidenschaften zu Frauen aller Kreise, die Dagon fesselten und die er ausleben mußte. Er selbst spaßte nur darüber, als wären seine Liebeserlebnisse nicht mehr als kleine Warzen an der Hand, die kommen und gehen und dem Wohlergehen nicht weiter schädlich sind.

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