Max Dauthendey - Japanische Gärten
Paradies, »schau dies, dies ist die Heimat meiner Frau! Hier in dem Teehausschatten kann sie sich nach Haus zu ihren Eltern träumen. Sieht sie hier, mit dem Kopf auf den Fußboden gestützt, hinaus, gleicht jede winzige Hügelwelle im Garten den großen Bergsäumen vor ihrem Elternhaus. Und jede Rasensenkung täuscht ihr vor vom Talschwung der Heimat eine Ahnung. Zwergahorn und Zwergeiche tun das gleiche. Sie sieht hier, auf dem Raum von einigen hundert Schritten kaum, die Landschaft von hundert Meilen in Zwergbaumlinien, in Hügeln und Wasserzeilen; sie sieht die Heimat ihrer Lieben rund, kaum einige Hände hoch über den Gartengrund hingeschrieben.« Ich stund wie einer, der blind gewesen, der mit einem Mal sehen lernt, vergleichen und lesen. Was ich für Wurzelstaude und kriechenden Busch gehalten auf den Rasenfalten, waren fünfhundertjährige Eichen, Fichten, Zedern, vielfach verästet, verkrüppelt und vom Alter gespalten. Der Garten, der vorher verschwunden war, lag als fußhohes Landschaftsbild vor dem Altan des Teehäusleins im Nachmittag jetzt klar. Ich verstand jetzt, daß der kniehohe Garten eine ganze Provinz von Landschaften war, in deren Mitten selbst die kleinen Japaner wie große Riesen über die hundertjährigen Eichenwälder und über die lebenden Flüsse schritten. Die Liebe, der Riese im Mann, zog dem geliebten Weib die alte Heimat über Meilen an die Türe heran, daß die Geliebte, wenn sie wünscht, darin weilen kann und träumen, wie sie als Kind es getan. – Es sind um Kioto noch seltsame Sommergärten der Kaiser entstanden, in denen sich in einem, der »männliche« und der »weibliche« benannt, zwei Wasserfälle befanden und Brücken in Brillenform, die mit kreisrunden Rücken den Wasserspiegel schmücken. Da sind Gartenzimmer mit vielfacher Benennung: Die Harfe in der Kiefer, Zimmer für den aufgehenden und Zimmer für den untergehenden Mondschimmer, Zimmer der Blumenbewunderung. Ein jeder Garten dieser Art ist genannt eine Zeremonie, denn er offenbart allen Dingen eine Deutung. Wie in einem Lied jeder Reim, jedes Wort einen Keim gibt dem Sehnsuchtssinn, so steht in einem japanischen Garten, grad oder gebückt, jede Zwergform dort und wirkt als Rhythmus fort und fort, und nichts stellt sich hin ohne Willen. Jeder Garten entwickelt eine inwendige Gewalt, die dich im stillen fortrückt und entzückt. Ein japanischer Garten ist fast unsichtbar, wie ein Wort, das sich
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