Max Dauthendey - Rennewart - Raubmenschen

ich mich, von Luft und Licht und Warten und Müßiggang erschöpft und unerquickt und verfolgt von Heeren verliebter Wahnvorstellungen, zurück über die Felder, den Fluß entlang zum Gasthof. Ich kam zu spät zu Tisch. Alle Gedecke waren abgeräumt, alle andern hatten Brot, Fleisch und Wein genossen. Auch der Platz der Österreicherin lag voll Brotkrumen, und Weinflecken auf dem Tischtuch zeigten, daß die junge Dame dagewesen war, indessen ich wie ein totes Ding im Feld über Heidekraut und Klippensteinen bei schlummernden Eidechsen über feuerblauen Wünschen gebrütet hatte, unwirklicher als dumpfe Hitzewolken, die am Himmelsrand liegen. In den Nachmittagsstunden besuchte ich einen berühmten französischen Maler, der als seltsamer Kauz und Sonderling abseits von der Pariser Malerwelt in Pouldu in einem versteckten Bauernhause wohnt, wo er Bauernmädchen als Madonnen malt und alte Fischer und junge Matrosen als Heilige. Seine Bilder sind meistens nicht größer als der Deckel einer Zigarrenkiste und auf Holz gemalt. Bei diesem Maler traf ich die junge Österreicherin auf der Treppe. Sie ging auf der schmalen Holzstiege an mir vorbei und grüßte mich zum erstenmal. Ihre Augen schienen ganz vertraut und natürlich geworden und hatten die Weltfluchtunruhe verloren. Auf der dämmerigen Leiterstiege des Bauernhauses, in dem der berühmte Maler V. sich eingenistet hatte, schien sie gut bekannt, denn sie machte mir Platz wie eine, die im Hause zu Hause wäre und mich als einen Gast bei sich betrachtete. Diese flüchtige Begegnung machte uns plötzlich zu guten Bekannten. Und am nächsten Morgen, als wir uns zufällig auf der morgengelben Sanddüne im blauen Ozeanlicht trafen und auch ich barfuß und mit den Stiefeln in der Hand ging, grüßten wir uns wieder und besprachen eingehend den feinen Sand unter den Füßen, und wie notwendig es sei, ohne Stiefel zu gehen. Die junge Dame war im Gesicht wunderbar rosig und weiß zugleich, wie ein Ei, das man vor die Sonne hält. Auch ihre nackten Füße gingen unterm regengrauen Lodenmantel weiß im Sande, leuchtender fast als die weißen Kalkmuscheln, die auf den gelben Sandkristallen blitzend offen lagen. Dieses junge Mädchen war im Morgen wie ein Stück vom Morgen selbst, so frisch, lebenverheißend, anmutig und stark, und ihr junger Leib erschien mir wie ein Krug, der am Brunnen überfließt, und der wartet, daß ihn jemand heimhole. Sie setzte sich auf einen Sandhügel, und ich saß einige Schritte vor ihr; wir hörten die Wellen hundert Meter von uns poltern, horchten auf dieses Anrennen und Verzischen des Meeres, das sich anhörte, als ob kaltes Wasser auf eine heiße Herdplatte ruckweise ausgegossen würde und ruckweise aufzischte, aufbrauste, stürbe und verdampfte. Wir saßen still vor dem Gedröhne des Atlant, vor der Ehrlichkeit eines ungeheuern Elementes, das sich einseitig hartnäckig behauptete. In der Nähe des Mädchens, zu zweien, schien mir das Meer kaum wie eine Handvoll Wasser, denn des Mädchens Blut und mein Blut war ein größeres Meer, ein Atlant von Blut, der durchs Weltall zog, und der noch über die Sonne hinaus hoch in dem kupfervitriolblauen Morgenäther vor meinen Augen wogte. Wir sprachen ein wenig von Gemälden, von dem Maler, den ich gestern besucht hatte, von seinen Madonnen und Heiligen. Und immer zischte in der Nähe die dunkle dampfende Riesenherdplatte des Atlant um unsere Worte wie eine Riesenleidenschaft. Die Morgensonne heizte den flüchtigen, mehligen Dünensand, auf dem wir saßen, und der unter der Hand, die ihn berührte, leicht beweglich fortrieselte wie der Sand einer Sanduhr. Aber unsere Worte waren so unnütz wie die Sandhaufen, wie die nie endenden, verzischenden, meilenlangen Wellengänge des Atlant vor uns; wir blieben beide nicht mit Worten und nicht mit unseren Gedanken aneinander haften. Mir schien: was wir sprachen, sagte jeder von uns zu sich. Es war, als löschte der geschlechtslose ungeheure Wassergott, vor dessen

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