Max Dauthendey - Rennewart - Raubmenschen

stehen und fühlte mein Herz trotzig wie eine Welschnuß und hart und wünschte blühende Frauenwärme herbei, allmächtige Liebeswärme, die vom Himmel auf mich wie der Morgen fallen sollte, und die mich blenden sollte wie der allmächtige, unendliche, rauschende, feuerblaue Wasserriese, der dicht bei der goldgelben Düne turmtief unter der Klippenwand lag. Ich sah von der Klippe oben das weiße und blaue Mosaik der flachen Meereswellen, das sich verschob und ans gelbe Sandland antrieb, das Kommen und Gehen der Dünenbrandung; aber ich konnte das Schäumen der einzelnen Wellen hier oben nicht hören. Ich stand nur mitten in einem unendlichen Stimmenrauschen, das wie ein unterirdisches Getöse aus dem Atlant aufstieg, und das im Himmel widerschallte und vom Land zurückhallte, so daß ich nicht wußte, woher die Stimme kam. Es konnte auch das Sonnenlicht, das runde, am blauen Morgenhimmel sein, das wie ein Riesengong im Weltraum dröhnte. Oder war es die Sehnsucht in meinem Herzen, die an meine Einsamkeit wie an eine Trommel donnernd anschlug. Oder ging irgendwo um mich herum, mitten vor dem blaufeurigen Morgenmeer, vor dem morgengoldigen Dünensand, oder oben auf den Roggenfeldern, auf den grünspangrünen Wiesen, ein Mensch, dessen Schritte vor Traurigkeit auf der Erde und im Himmel widerhallten, und dessen Herz wilder verbrannt war von Leidenschaft als die zerbeulten rostroten und rauchschwarzen Klippenknochen. Diese Morgenwelt schien götterglänzend und irrsinnig zugleich, von blauem, ewigem, mörderischem Feuer und steinernen irdischen Grimassen angefüllt. Ich ging über das wurzelbraune, alte, verdorrte Heidekraut der Klippenrippen und fand nach einer Weile im Sonnenschein die lange sonnenweiße Mauer einer Meerbeobachtungsstation. In der Ferne, tiefer im Land, standen die Reihen der verrenkten Riesenbäume aufgestellt, die ich gestern nachmittag vom Wagen aus bestaunt hatte, und ich entdeckte auf der Wiese einen großen Malerschirm, wie eine weiße Zeltkuppel am Rand eines grünen Roggenfeldes aufgespannt. Unter dem weißen Schirm konnte entweder einer der Amerikaner oder die Londonerin oder die Österreicherin sitzen. Der Schirm stand schief; ich sah die Füße einer Staffelei und die Ecke einer Rahmenleinwand silberiggrau in der Sonne blitzen. Ich bückte mich und pflückte ein paar feuerblaue Kornblumen aus dem grünen Roggen. Die sahen aus, als habe der Atlant draußen blaue Tropfen in die Klippenfelder gespritzt, und die Blumen waren so ernst, fast schwarzblau, als ich sie vom grünen Feld trennte und in der Hand trug, als wären sie die Blicke einer tiefen Traurigkeit, die an den Feldern hier vorübergeschritten sei. Ab und zu Kornblumen pflückend oder einen von der Salzluft des Meeres halbtauben Schmetterling oder Käfer von einer grünen Roggenähre abstreifend, kam ich dem großen weißen Malerschirm immer näher. Da fuhr ein Windstoß vom Meer auf. Der Schirm bog sich zur Seite und schwankte, als ob er fortfliegen wolle. Ich trat hin und sah, daß der Feldstuhl unter dem Schirm leer, daß die Malleinwand unbenützt und ein Kasten mit Farben und Bleistiften bei dem Windstoß vom Malstuhl gefallen war. Der Kasten war aufgegangen; einige Tuben und Pinsel und Bleistifte lagen am Boden verstreut. Ich sammelte die Dinge, legte sie in den Kasten und schloß den Deckel. Dann ging ich weiter und wunderte mich. Aber ich konnte nicht sehr weit gehen. Ich mußte mich nach fünfzig Schritten auf einen Klippenstein setzen und den Malerschirm, die Staffelei und den Stuhl bewachen, als hätte ich die Pflicht, diese Dinge mit meinem Müßiggang vor dem frischen arbeitenden Wind, vor dem arbeitenden blaufeurigen Meeresspiegel und vor Himmel und Sonne zu beschützen. Ich saß, bis es Mittag wurde und die Sonne senkrecht auf meine Knie brannte. Dann trollte

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