Max Dauthendey und Japan

Die Heimatstadt des Dichters Würzburg und Blick auf Japan: Und wenn ich in späteren Jahren als Erwachsener zu Besuch in die väterliche Wohnung kam und ich ihn immer noch mitten in begeistertem Mitempfinden, bei allen neuen Errungenschaften des Menschengeistes auflebend und uns mitreißend, wiederfand, dann fühlte ich, als ginge von diesem Mann eine klare, die ganze Atmosphäre der Wohnung belichtende Geisteskraft aus, die das Atmen in den heimatlichen Zimmern leicht und fröhlich machte. Es war mir, als wäre ich zu Gottvater selbst zurückgekommen, in eine Klarheit, die ich nie draußen in der Fremde und nicht mal in der geistigen Atmosphäre der großen Städte so stark gefunden hatte. Und zu dieser Helle und Wachheit des Geistes meines Vaters, die in den Wohnräumen um ihn noch herrschte, als er schon ein siebenundsiebzigjähriger Greis war, gesellte sich draußen vor der Tür und vor den Fenstern des Hauses die wunderbare, alles verstehende und Frieden verbreitende fränkische Luft und der fränkische Sinn der Stadt Würzburg, die mit erdkräftigem Wein, mit schmucken Frauen, lebenstüchtigen Männern auf altgeschichtlichem Boden, mit prächtigen Bauten, bei schon geschwungenen Hügeln am traulichen Main liegt und mir immer so recht als Heimplatz froher Musen und froher Wissenschaft erschien. Als Professor Röntgen hier im physikalischen Institut die X-Strahlen entdeckte und ein neues, den Menschenkörper durchdringendes Licht den Augen sichtbar machte, war ich noch ein junger Mann und schrieb eben an meinem Buch »Ultraviolett«. Und ich sagte mir später oftmals; in keiner ändern Stadt, nur in Würzburg konnten die X-Strahlen entdeckt werden. Hier kommt geheimes Licht den Menschen so nah wie selten wieder auf einem Punkt der Erde. Das Würzburger Licht, das an den sonnigen Tagen von den Bergen wie eine blaue Elektrizität rund um die Stadt in den Himmel scheint, kommt mir immer vor wie aus einem Jubel geboren. Ist es die Stellung der Hügel, die wie Brennspiegel verteilt am Mainufer nach Süden gerichtet stehen? Oder ist es der lange flüssige Spiegel des Mains selbst, der das gewundene Maintal aufhellt, so daß es scheint, als flösse zwischen den Hügeln ein weißes Feuer, das, mit der Sonne vereint, die Weinbeeren an den Geländen kocht? – Ich weiß es nicht, warum Licht und Luft hier immer jubelnd gestimmt sind. Es gibt viele schöne Orte auf der Welt, die einen frohstimmen, so wie es viele Orte gibt, die einen ernüchtern und des Frohsinns berauben können. Aber auch ohne an den Wein hier zu rühren, finde ich jede Stunde in dieser Stadt berauschend. Auch der Nüchternste und der Lebensmüdeste muß vom Licht- und Luftstrom, der hier Erde und Himmel durchdringt, bei einem Gang durch Stadt und Landschaft glücklich gestimmt werden. Die

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