Max Dauthendey und Japan
weise Heiterkeit Griechenlands, die zierliche und erdkräftige Schönheit Japans, die ich beide mit Leib und Seele kennenlernte, finde ich hier in Würzburg vereinigt. Es denkt sich leicht, es lacht sich leicht, es arbeitet sich leicht in dieser Stadt. Sie läßt die Liebe leicht entstehen, macht die Liebessehnsucht schwerwiegend und die Liebesinbrunst tief. Sie entzückt, diese Stadt, die im Frühling von einer Geisterwelt üppiger Blumen- und Blütendüfte umgeben ist. Die Stadtanlagen sind voll japanischer Sträucher, die ein Würzburger, der Japanforscher Sieboldt, seiner Heimatstadt gegeben hat. Aber auch ohne diese ausländischen Blüten stehen die Obstblüte, die Rosen- und Fliederblüte Würzburgs der Blütenfülle Japans nicht nach. Als ich nach viermonatlicher Reise durch Asien einmal im Mai nach Japan kam, fühlte ich mich vom ersten Schritt an, den ich vom Schiff aus in dieses Land setzte, als wäre ich in meiner fränkischen Heimat angekommen. Die Veilchen an den Wiesenrändern in Nagasaki, die Kirschen-, Mandel- und Pflaumenblüten in Tokio und Kioto, alle die lieblichen Hügelwege von blühenden Schlehenhecken gesäumt – Festlichkeit und Anmut der Gelände, der Anpflanzungen – alles erinnerte mich an die Frühlingsfestlichkeit in Franken, an die heimlichen Veilchenverstecke dort, an, die lauschigen Hecken- und Gartenwege zur Baumblütezeit rund um die Stadt Würzburg. Nur fehlt der asiatischen Landschaft die Musik, die eine etwas lautere Menschenfröhlichkeit verkündet. Im Mai und Juni, wenn bei uns die studierende Jugend am Mainufer in ihren Vereinshäusern die Frühmusik zum Himmel klingen läßt und die Gelände blühen und der Fluß blitzt und die warmblütigen und lebensfrohen jungen Würzburgerinnen unter den blühenden Bäumen lachen, dann ist der Frühling hier wie eine Festzeit der Menschenjugend. Als ich von einem japanischen Prinzen in Tokio aufgefordert wurde, einige Jahre in Japan zu bleiben, und als man mir ein Haus anbot, damit ich dort dem japanischen Hof deutsche Dichtung vortragen sollte, konnte ich mich nicht entschließen, zuzusagen. Ein unsägliches Heimweh hatte mich in Japan überfallen. Weil dieses Land auf Schritt und Tritt so ähnlich wie meine Heimat ist und doch nicht die Heimat war, wurde ich dort ungeduldiger, als ich es in Indien oder China gewesen war, und sehnte mich von dort nach Würzburg dringender zurück als von irgendeinem ändern Punkt der Welt. Es war mir dort, als ginge ich neben der Zwillingsschwester einer Geliebten, die ich immer für die Geliebte ansehen mußte und die es doch nicht war.
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